Chorgesang in Düsseldorf und Umgebung


WANDEL IN DER CHORLANDSCHAFT

Vom Boom in die Krise: Traditionsreiche Chöre verlieren Mitglieder.


In den Nachkriegsjahren erfahren die Männergesangvereine wieder einen regen Zulauf. Im Jahr 1961 werden im Sängerkreis Düsseldorf 3.418 Sänger in 100 Männerchören gezählt. Dem stehen 15 gemischte Chöre, ein Frauenchor und drei Kinderchöre mit zusammen rund 590 Mitgliedern gegenüber. Doch die Boomphase der MGV hält nicht lange an. Der gesellschaftlich-kulturelle Umbruch zu Beginn der 1970er-Jahre und ein Wertewandel besonders bei der jüngeren Generation hinterlässt Spuren.


Auch der wirtschaftliche Strukturwandel und die Entwicklung zur postindustriellen Gesellschaft haben ihre Folgen. Viele Betriebe schließen und Werkschöre müssen ihre Tätigkeit einstellen. Während die Männerchöre in der Krise stecken, beginnt die Zeit der gemischten Chöre, der Frauenchöre und der Kinder- und Jugendchöre. Die Chorliteratur wird internationaler, doch das Singen in Deutschland wird zum Sorgenkind. In Familie und Schule wird kaum noch gesungen, das bekommen auch die Chöre zu spüren. Die Zeichen stehen auf Veränderung.


Von den zahlreichen Werkschören, die zum Teil noch bis Ende der 1980er-Jahre Mitglied im Sängerkreis Düsseldorf waren, haben nur wenige (fett gedruckt dargestellt) bis heute überlebt.

MGV Glasfabrik Gerresheim 1874 | MGV der Bäcker-Innung 1885 Düsseldorf | Männerchor der Fa. L. Schwann 1886 Düsseldorf | MGV Schiess AG 1890 | Männerchor der Demag AG 1900 Benrath | MGV der Stadtwerke Düsseldorf 1905 | MGV Maschinenfabrik Sack 1910 Rath | MGV der Mannesmannröhren-Werke AG Rath 1913 | Böhler-Chor 1920 Düsseldorf | Männerchor der Städt. Krankenanstalten 1921 | MGV Rheinbahn 1924 Düsseldorf | MGV Eisen und Stahl e.V. 1927 Düsseldorf | Eisenbahn-Gesangverein 1927 Düsseldorf | MGV Prewa 1929 | MGV der Fa. Schwietzke 1932 Düsseldorf | Werkschor Phoenix-Rheinrohr AG 1933 Düsseldorf | MGV Klöckner Drahtindustrie 1934 Düsseldorf | Sängerchor Schwabenbräu 1934 Düsseldorf | Gesangs-Abteilung R. Woeste u. Co. 1934 Düsseldorf | Männerchor der Demag-Baggerfabrik 1947 | Werkschor Capito & Klein AG 1951 Benrath | Werkschor der Fa. Pose-Marre 1951 Erkrath | Werkschor Friedr. Krupp Hüttenwerke AG 1951 Benrath | Singgemeinschaft Papierfabrik Dr. Zimmer 1952 Benrath | Werkschor der Fa. Leo Gottwald 1954 Holthausen | MGV Gebr. Poensgen 1954 Rath | MGV „Frohsinn“ der Fa. P. Pfennigsberg 1956 Oberkassel | Werkschor Phoenix-Rheinrohr AG 1956 Hilden | MGV „Frohsinn“ der Fa. Constructa-Werke Lintorf | Werkschor der Fa. Malmedie 1957 Düsseldorf | Polizei-Gesang-Verein 1958 Düsseldorf | Werkschor Feldmühle 1959 Reisholz | Männerchor Lindemann 1964 | Werkschor Teekanne/Teepack Düsseldorf | Werkschor RWE-Reisholz 1980


Ende der 1950er-Jahre singen über 100 Männer im Düsseldorfer Männergesangverein e.V. 1902. Bis zum Jahr 1980 büßt der Chor jedoch die Hälfte seiner Mitglieder ein. Ab Mitte der 1990er-Jahre kommt gerade noch ein gutes Duzend zu den Chorproben. 2005 stellt der traditionsreiche Verein seine Arbeit ein.

 

Bild: Düsseldorfer Männergesangverein e.V. 1902

Foto aus dem Nachlass des DMGV



Berühmtester Sänger im Düsseldorfer Männergesangverein e.V. 1902 war Walter Scheel (1919 - 2016). 1964 wird der damalige Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und spätere Bundespräsident (1974 - 1979) Schirmherr des DMGV und singt dort auch gerne mit. Das Foto zeigt den Sangesbruder Scheel bei der Jubiläumsfeier anlässlich des 10-jährigen Bestehens des Düsseldorfer Mädchenchores im Oktober 1971.

Bild: Düsseldorfer Männergesangverein e.V. 1902 mit Walter Scheel

Foto aus der Festschrift zum 75-jährigen Bestehen des DMGV



Für eine Fernsehshow singt Walter Scheel 1973 zusammen mit dem DMGV das Lied „Hoch auf dem gelben Wagen“. Die Schallplatte, deren Erlöse u. a. der Aktion Sorgenkind zugutekamen, belegt Anfang 1974 Platz fünf der deutschen Single-Charts. Die Düsseldorfer Sänger erlangen bundesweite Bekanntheit und Walter Scheel bleibt als „singender Bundespräsident“ unvergessen.

Bild: Walter Scheel Schallplatte

Foto: Oliver Erdmann